Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.
In diese Verlegenheit gerät sie ohne ihre Schuld. Sie fängt von Grundsätzen an, deren Gebrauch im Laufe der Erfahrung
unvermeidlich und zugleich durch diese hinreichend bewährt ist. Mit diesen steigt sie (wie es auch ihre Natur mit
sich bringt immer höher, zu entferneteren Bedingungen. Da sie aber gewahr wird, daß auf diese Art ihr Geschäfte jederzeit unvollendet bleiben müsse, weil die
Fragen niemals aufhören, so sieht sie sich genötigt, zu Grundsätzen ihre Zuflucht zu nehmen, die allen möglichen Erfahrungsgebrauch überschreiten und gleichwohl so unverdächtig scheinen, daß auch die gemeine Menschenvernunft damit im Einverständnisse stehet. Dadurch aber stürzt sie sich in Dunkelheit und
Widersprüche, aus welchen sie zwar abnehmen kann, dass irgendwo verborgene
Irrtümer zum Grunde liegen müssen, die sie aber nicht entdecken kann, weil die Grundsätze, deren sie sich
bedient, da sie über die Grenze aller Erfahrung hinausgehen, keinen Probierstein der Erfahrung mehr anerkennen. Der Kampfplatz
dieser endlosen Streitigkeiten heisst nun Metaphysik. (Kant, 1974, S.11)
Kommentar:
Fragen bewegen das Rad der Pädagogik. Sie integrieren die Erfahrung als Probiersteine. Das sind auch die Komponenten des flexiblen Interviews, sprich der kritischen Methode.
Kant, I. (1974). Kritik der reinen Vernunft (Bd. 1). Frankfurt
a.M.: suhrkamp taschenbuch wissenschaft.
Schulz, W. (1980). Philosophie in der veränderten Welt. Pfullingen: Verlag Günther Neske.
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