Dienstag, 23. September 2014

Gemalte Burg auf gemaltem Fels


Betrachtung über Aberglauben im mathematischen Bereich

Wittgenstein (2013b, VB 1929, S. 451) bemerkte: „In keiner religiösen Konfession ist soviel durch den Missbrauch metaphysischer Ausdrücke gesündigt worden wie in der Mathematik.“ Nach Vossenkuhl (2003) ist das keine generelle Zurückweisung der Mathematik, sondern es ist der Hinweis auf Irrwege, welche durch Grundlegungen geschaffen worden sind. Wittgenstein formulierte in den „Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik“:
16. Wozu braucht die Mathematik eine Grundlegung?! Sie braucht sie, glaube ich ebenso wenig, wie die Sätze, die von physikalischen Gegenständen – oder die, welche von Sinneseindrücken handeln, eine Analyse. Wohl aber bedürfen die mathematischen, sowie jene anderen Sätze, eine Klarlegung ihrer Grammatik.
Die mathematischen Probleme der sogenannten Grundlagen liegen für uns der Mathematik so wenig zu Grunde, wie der gemalte Fels die gemalte Burg trägt. (Wittgenstein, 2013a, §16, S.378)

Wie ist es mit den Grundlagen der Mathematik in der Psychologie und der Mathematikdidaktik? Nach Wittgenstein (2013a) und in Anlehnung an die Kritik an der Variablenpsychologie (Holzkamp, 1985) ergeben sich genug Anhaltspunkte, um auch in der Psychologie und der Mathematikdidaktik Metaphysisches und Konfessionelles zu entdecken. Da blinzeln Säuglinge, und es wird Mathematik gefunden (Wynn, 1997). Variablen werden zu einem Konstrukt addiert und als Vorläuferfertigkeiten abgeleitet (Krajewski, 2008), ungeachtet der grundlegenden messtheoretischen und erkenntnistheoretischen Standards (Gigerenzer, 1981). Das führt in Anlehnung an Wittgenstein (2013a) in ein falsches Sprachspiel, welches durch fragwürdige Produkte der Lehrmittelindustrie geradezu potenziert wird.


Wittgenstein’s (2013a, b) Hinweise auf das echte Sprachspiel verweisen auf die Klarlegung der Grammatik der mathematischen Sätze. Diese Klarlegung ist der Motor der mathematischen Bildung (Freudenthal, 1991). Dies begann bereits bei Platon im Menon-Dialog, in dem Sokrates die Meinungen des Sklaven über die Verdoppelung der Fläche eines Quadrates untersuchte. Sie zeichneten in den Sand und prüften die Grammatik der geometrischen Sätze. Das Sprechen, das Zeichnen und die Analyse bilden das echte Sprachspiel, welches den fachdidaktischen Aberglauben zu sprengen vermag. Lernende und Lehrende verankern sich im Wesen ihres eigenen und gemeinsamen Tuns und nicht bloss in einem Wissen, das zu befolgen wäre (Wittgenstein, 2013a, §4, S. 360f). Die Grundlagen dieses Wissens ironisiert Wittgenstein mit der Metapher der gemalten Burg, welche auf einem gemalten Felsen ruht (ebd., §16, S.378).

Die Sprachspiel-Metapher radikalisiert den erkenntnistheoretischen und den pragmatischen Verwendungszweck des flexiblen Interviews: wird es für variablenpsychologische Paradigmen eingesetzt oder als operatives Sprachspiel? - Als operatives Sprachspiel würde es mathematische Sätze von klein auf klarlegen helfen.



Literatur

Freudenthal, H. (1991). Revisiting Mathematics Education. China Lectures. Dordrecht: Kluwer Academic Publishers.
Gigerenzer, G. (1981). Messung und Modellbildung in der Psychologie. München: Ernst Reinhardt.
Holzkamp, K. (1985). Grundlegung der Psychologie. Frankfurt: Campus Verlag.
Krajewski, K. (2008). Vorhersage von Rechenschwäche in der Grundschule (2., korr. Aufl.). Hamburg: Kovac.
Vossenkuhl, W. (2003). Ludwig Wittgenstein (2., durchges. Aufl.). München: C.H. Beck Verlag.
Wittgenstein, L. (2013a). Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik (9. Auflage).Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag.
Wittgenstein, L. (2013b). Über Gewissheit (13. Auflage). Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag.
Wynn, K. (1997). Competence Models of Numerical Development. Cognitive Development, 12(3), 333-339.








Mittwoch, 25. Juni 2014

Epistemology in the school?



In the school metacognition is handled as thinking about learning and thinking, like an accessoire. Why not start with action-based epistemology? Epistemology as inquiry of knowledge and justified beliefs; developmental epistemology from the beginning rather than the moral and / or psychology of tasks. Epistemology as a data (experience) based trajectory growing like a rhizome.

See:

Allen, J. W. P., Bickhard, M.H. (2013). Stepping off the pendulum: Why only an action-based approach can transcend the nativist-empiristic debate. Cognitive Development, 28(2), 96-133.

Deleuze, G., Guattari, F. (1977). Rhizom. Berlin: Merve Verlag.

Müller, U., Carpendale, J.I.M., Smith, L. (Hrsg.). (2009). The Cambridge Companion to Piaget. Cambridge: Cambridge University Press.

Nietzsche, F. (1974). The Gay Science: With a Prelude in Rhymes and an Appendix of Songs. Vintage Books.

Samstag, 7. Juni 2014

Intelligenz

Die Methode ist Teil des Resultats. Intelligenz ist etwas Soziales. Das ist nicht zu verwechseln mit sozialer Intelligenz. Sokrates, Freud, Piaget et al. und Wygotski haben erste Beweise geführt.

Mittwoch, 21. Mai 2014

Unplugged mathematics

First-class-children invented arithmetic based on games (i.e. snakes and ladders). Kaija (name changed) wrote 1 + 6 – 7 + 8 – 9 + 10 – 11=__

The group around her began to calculate, some of them with fingers. Suddenly someone said: “does not go…” A crowd surrounded the task, many of them working with finger-counting.  Another girl said very convincingly: “8 – 9 doesn’t go, look, eight fingers minus 9 fingers.” Kaija changed a number in the chain.

This situation was a dense moment of curiosity, emergence and reflection (Allen & Bickhard, 2013). Freudenthal (1991) would say “realistic” mathematics. The teachers will work again with Kaija’s first task. The children learn to use commutative and associative laws, with addition and subtraction. They get over the actual borders of the natural numbers mathematically. They discover the integer numbers. – These kids are unplugged little mathematicians.

Kaija's  '1 + 6 – 7 + 8 – 9 + 10 – 11=__' is a stepping stone for mathematical inventions and for co-operation. Math-lessons would be realistic and poetic, if teachers and psychologists could imagine mathematic (listen John Lennon, read Kierkegaard).





Allen, J. W. P., Bickhard, M.H. (2013). Stepping off the pendulum: Why only an action-based approach can transcend the nativist-empiristic debate. Cognitive Development, 28(2), 96-133. 

Freudenthal, H. (1991). Revisiting Mathematics Education. China Lectures. Dordrecht: Kluwer Academic Publishers.

Kierkegaard, S. (2006). Fear and Trembling. Cambridge: Cambridge University Press.

Samstag, 3. Mai 2014

Einsicht lehrbar?

Eine Erweiterung in Anlehnung an Gruschka (2002, S. 139):

Dass auch Mathematik Einsicht ist, bedeutet noch nicht, dass Einsicht gelehrt werden kann. Sokrates bzw. Platon hat im Menon-Dialog bewiesen, dass Einsicht nicht gelehrt werden kann, dass sie anders zustande kommt.

Literatur
Gruschka, A. (2002). Didaktik. Elf Einsprüche gegen den didaktischen Betrieb. Wetzlar: Büchse der Pandora.

Freitag, 11. April 2014

realitätsnah - wirklich?

Unterricht muss realitätsnah sein... Interview mit Prof. Blum

Die Forderung ist eine klassische. Das Erreichen der Realitätsnähe hat jedoch einen Haken. Wenn Pädagoginnen und Pädagogen annehmen, dass man die Realitätsnähe über neue Aufgaben und Mathematik-Fibeln herstellen könne, dann bleiben sie in einem Zirkel gefangen, aus dem sie mit neuen Aufgaben immer wieder auszubrechen versuchen. In Anlehnung an Lenné (1969) unterliegt man (unbewusst) dem aufgabendidaktischen Kurzschluss. 
Paulo Freire (1979) umschrieb diesen Zirkel mit der Metapher der Spendendidaktik und des Bankierskonzeptes. Die Inhalte und die sie vermittelnden Aufgaben sind Spenden, welche die Lernenden im Gedächtnis ablegen wie Depots in einem Banksafe. Im Blum'schen Beispiel würde man nicht bloss den Pythagoras ablegen, sondern auch die Foto einer Leiter, welche an eine Mauer angelehnt ist. 
Kann man dem Zirkel entrinnen? Kann Unterricht Lebenswelt wirklich mathematisieren? - Klar kann man das. Es bedingt jedoch, dass man die didaktische Analyse mit den Lernenden macht und nicht für sie (Klafki, 1996). Man verlässt den Zirkel mit Hilfe des Dialoges und der Kooperation schon in der Phase der Vorbereitung des Unterrichts.


Literatur
  • Freire, P. (1979). Pädagogik der Unterdrückten. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt.
  • Lenné, H. (1969). Analyse der Mathematikdidaktik in Deutschland. Stuttgart: Ernst Klett Verlag.
  • Klafki, W. (1996). Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemässe Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik (5. Auflage). Basel: Beltz Verlag.

Donnerstag, 27. März 2014

Reading - Mathematizing - Literacy


According to Emilia Ferreiro's: Reading the word is reading the world we conclude that reading the number is mathematizing the world.

Reference
Ferreiro, E. (2003). Past and Present of the Verbs to Read and to Write (M. Fried, Trans.). Toronto: Groundwood Books.

Dienstag, 18. März 2014

Rhizome - Footprints of talents



Learning was like plashing in knowledge (Foucault). What experiences are possible if it’s taught by methods as Fernand Deligny describes? No copies but maps (Deleuze et Guattari). Bidirectional observation, co-construction, free conversation (see Fig.1). 
Piaget confessed a gap: there is poor knowledge about talent in the psychology of intelligence. 

Figure 1: Money-map
Teaching talents in mathematics is not as teaching numbers or operations or triangles to ignorants  (Piaget).  Talent is non-conformist, creative, re-inventive or inventive (Piaget). Teaching talents is dialogic and promoting projects (Frey).

References

Bringuier, J. C. (1977). Conversations libres avec Jean Piaget. Paris: Robert Laffont.

Chancel, J. (1975). Michel Foucault: Générique début. [Internet]. Verfügbar unter:  http://www.ina.fr/notice/voir/PHD86002120 [18.03.2014]

Deleuze, G., Guattari, F. (1977). Rhizom. Berlin: Merve Verlag.
Frey, K. (2010). Die Projektmethode. Der Weg zum bildenden Tun (11., neu ausgestattete Aufl.). Weinheim: Beltz Verlag.