Donnerstag, 25. April 2013
Rechenschwäche
Bei der Rechenschwäche nimmt man wahr, dass das Kind im Lehrprogramm
untergeht. Systemisch betrachtet versinkt jedoch mit jedem Kind auch das
fachdidaktisch-pädagogische Schiff. Das sieht man „einfach“ nicht so gut wie
Lesefehler, zählendes Rechnen oder Probleme beim Sachrechnen.
Donnerstag, 15. November 2012
Gesprächstechnik und Dialog: eine Differenzierung
Donaldo Macedo (2010) macht auf der Grundlage der dialogischen Pädagogik von Paulo Freire eine bedeutsame Unterscheidung:
Das flexible und kritische Interview als Hilfsmittel der dialogischen Pädagogik... (Donaldo Macedo, 2010)
Das flexible und kritische Interview als Hilfsmittel der dialogischen Pädagogik... (Donaldo Macedo, 2010)
Samstag, 22. September 2012
Das flexible Interview macht den Beobachter, sein Gegenüber und die Sache sichtbar.
Michel Serres (1987) schreibt über die parasitäre Wissenschaft, dass sie sich unsichtbar macht, dass sie als Humanwissenschaft den Kontext ausschliesst und dass sie bloss nimmt und nicht gibt. Zitat:
"Der Beobachter ist das Nicht-Beobachtbare. Zumindest ist es nötig, dass er auf der Kette des Beobachtbaren der letzte sei. Wenn jemand an seine Stelle tritt, so wir er zum Beobachteten. Er ist also in der Position des Parasiten. Nicht allein, weil er die Beobachtung nimmt und nicht gibt, sondern auch, weil er die letzte Position in der Folge einnimmt. Im Spektrum des Sichtbaren, des Blickes und der Evidenz ist er entweder unsichtbar wie Gyges oder wie ein Subjekt unter lauter Objekten, oder er ist der am wenigsten Sichtbare von allen. Bleibe unbemerkt, und was das Geräuschspektrum angeht, halte dich unterm Wind" (ebd. S. 365).
Das flexible Interview beobachtet, befragt, experimentiert und testet den Beobachter, den Beobachteten und das, was sie tun. Die Rollen und die Handlungen bilden keine parasitäre Kette mehr, sondern sie treten im Verhältnis zur Aufgabe, nämlich etwas optimal zu bearbeiten, sowie erkenntlich und verständlich zu machen, in eine Art Symbiose über. Der Pädagoge oder die Pädagogin bzw. der Psychologe benutzen das flexible Interview nicht klinisch (parasitär), sondern sozial und kontextuell. Das ist m.E. die Herausforderung an die Pädagogik als Praxis und als Wissenschaft.
Ein hörenswerter Kurzvortrag:
Ein Denker im Dialog - Michel Serres (26 Min.)
Literatur
Serres, M. (1987). Der Parasit. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
"Der Beobachter ist das Nicht-Beobachtbare. Zumindest ist es nötig, dass er auf der Kette des Beobachtbaren der letzte sei. Wenn jemand an seine Stelle tritt, so wir er zum Beobachteten. Er ist also in der Position des Parasiten. Nicht allein, weil er die Beobachtung nimmt und nicht gibt, sondern auch, weil er die letzte Position in der Folge einnimmt. Im Spektrum des Sichtbaren, des Blickes und der Evidenz ist er entweder unsichtbar wie Gyges oder wie ein Subjekt unter lauter Objekten, oder er ist der am wenigsten Sichtbare von allen. Bleibe unbemerkt, und was das Geräuschspektrum angeht, halte dich unterm Wind" (ebd. S. 365).
Das flexible Interview beobachtet, befragt, experimentiert und testet den Beobachter, den Beobachteten und das, was sie tun. Die Rollen und die Handlungen bilden keine parasitäre Kette mehr, sondern sie treten im Verhältnis zur Aufgabe, nämlich etwas optimal zu bearbeiten, sowie erkenntlich und verständlich zu machen, in eine Art Symbiose über. Der Pädagoge oder die Pädagogin bzw. der Psychologe benutzen das flexible Interview nicht klinisch (parasitär), sondern sozial und kontextuell. Das ist m.E. die Herausforderung an die Pädagogik als Praxis und als Wissenschaft.
Ein hörenswerter Kurzvortrag:
Ein Denker im Dialog - Michel Serres (26 Min.)
Literatur
Serres, M. (1987). Der Parasit. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Dienstag, 3. Juli 2012
Adorno: Denn Bildung ist eben das, ....
...wofür es keine richtigen Bräuche gibt; sie ist zu erwerben nur durch spontane Anstrengung und Interesse, nicht garantiert allein durch Kurse, und wären es auch solche vom Typus des Studium generale. Ja, in Wahrheit fällt sie nicht einmal Anstrengungen zu sondern der Aufgeschlossenheit, der Fähigkeit, überhaupt etwas Geistiges an sich herankommen zu lassen und es produktiv ins eigene Bewusstsein aufzunehmen, anstatt, wie ein unerträgliches Cliché lautet, damit, bloss lernend, sich auseinanderzusetzen. Fürchtete ich nicht das Missverständnis der Sentimentalität, so würde ich sagen, zur Bildung bedürfe es der Liebe; der Defekt ist wohl einer der Liebesfähigkeit. Anweisungen, wie das zu ändern sei, sind prekär; es wird darüber meist in einer frühen Phase der Kindheitsentwicklung entschieden. Aber wem es daran gebricht, der sollte kaum andere Menschen unterrichten. Er wird nicht nur jenes Leiden in der Schule perpetuieren, das die Dichter von sechzig Jahren anklagten, und das man wahrscheinlich zu Unrecht, für längst beseitigt hält, sondern der Defekt wird sich in den Schülern fortsetzen und ad infinitum jenen geistigen Zustand zeitigen, den ich nicht für unschuldige Naivetät halte, sondern der mitverantworltich war am Unheil des Nazionalsozialismus. (S. 485)
Aus:
Adorno, T. W. (2003). Philosophie und Lehrer. In T. W. Adorno (Hrsg.), Kulturkritik und Gesellschaft II (Bd. 10.2, S. 474-494). Frankfurt a.M.: suhrkamp taschenbuch.
Sonntag, 8. April 2012
Dialogisches Lernen: Lernen, wie es euch gefällt
Eine Lehrerin im Solothurnischen (Schweiz) erprobt mit Schulanfängern das «dialogische Lernen». Die Kinder bestimmen selbst, was sie lernen wollen. Ein Zukunftsmodell für die Volksschule?
Hinweis (Stefan Meyer)
Das Beispiel zeigt eindrücklich, dass das dialogische Lernen mit Hilfe des flexiblen Interviews dynamisiert und gesichert werden kann.
Wozu Geometrie-Unterricht?
Hans
Freudenthal
Freudenthal, H. (1977). Mathematik als pädagogische Aufgabe (2., durchgesehene Auflage Bd. 1 und 2). Stuttgart: Ernst Klett Verlag.
(...) Will man die Geometrie als
logisches System dem Schüler auferlegen, so kann man sie in der Tat lieber
abschaffen. Es gibt schlüssigere Systeme als welches System der Geometrie auch,
das man sich ausdenken könnte. Geometrie-Unterricht kann nur sinnvoll sein,
wenn man die Beziehung der Geometrie zum erlebten Raum ausnutzt. Unterlässt der
Erzieher das, so lässt er sich unersetzliche Gelegenheiten entgehen. Geometrie
ist eine der grossen Gelegenheiten, die Wirklichkeit mathematisieren zu lernen.
Es ist eine Gelegenheit, Entdeckungen zu machen – wir werden es an Beispielen
sehen. Gewiss, man kann auch das Zahlenreich erforschen, man kann rechnend
denken lernen, aber Entdeckungen, die man mit den Augen und Händen macht, sind
überzeugender und überraschender. Die Figuren im Raum sind, bis man sie
entbehren kann, ein unersetzliches Hilfsmittel, die Forschung und Erfindung zu
leiten. (S. 380)
Freudenthal, H. (1977). Mathematik als pädagogische Aufgabe (2., durchgesehene Auflage Bd. 1 und 2). Stuttgart: Ernst Klett Verlag.
„Was ist die Essenz des mathematischen Denkens?“
Aus einem Interview mit Peter Lax von Peter Imhasly (2010)
Zum logischen
Verbinden von Ideen
Logik ist ein Werkzeug. Der Gebrauch von Logik ist schon im nonverbalen
Verhalten von kleinen Kindern sichtbar. Später werden Begriffe miteinander verknüpft, bzw. es
wird Sprache mit Handeln und Handeln mit Sprache verknüpft (Inhelder, Piaget, 1977; Piaget, Inhelder,
1973; Kamii, 2004). Das Beispiel des
Zählens, der Zahlbegriffe und der Umgang mit der arithmetischen Symbolsprache
belegt eindrücklich, dass die Verknüpfungen einer Entwicklung unterstehen.
Diese zu beobachten und in der Pädagogik nutzbar zu machen, ist eine Kunst.
Sie besteht
darin, Ideen auf eine absolut logische Art miteinander zu verbinden – wobei die
Logik nur ein Werkzeug ist. Die Substanz der Mathematik sind phantastische
Phänomene. Strömungsphänomene wie im Eine-Million-Dollar-Problem der
Navier-Stokes Gleichungen sind ungeheuer beeindruckend. Sie lassen sich täglich
beobachten, ihr Verhalten erklären kann man bis heute nicht.
Pädagogisch-fachdidaktischer
Kommentar (Stefan Meyer)
In diesem kurzen Interviewausschnitt stechen drei Begriffe hervor: das
logische Verbinden von Ideen, Logik als Werkzeug und Phänomene als Substanz der
Mathematik.
Bezogen auf die Grundausbildung in der Mathematik genügt es also, wenn
man diese drei Begriffe bewusst vor Augen hält. Allerdings kommt ein
psychologisch-pädagogisches Moment hinzu, welches Piaget und seine
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgezeigt sowie Constance Kamii (2004) haben:
die Entwicklung
des Denkens, des Handelns, der Sozialisation und des Empfindens. Was bedeuten
diese Begriffe in Anlehnung an Lax?
Zur Logik als
Werkzeug
Frege (2001) hatte versucht, die Mathematik aus der Logik heraus zu
begründen. Dieser Versuch ist gescheitert. Der Versuch hat aber auf
phantastische Weise gezeigt, was die Logik für ein wundervolles geistiges
Werkzeug ist. Für die Pädagogik bedeutet dies, dass man nicht Logik um ihrer
selbst willen übt, sondern dass der Gebrauch der Logik im Sprechen und Handeln
beobachtet wird, und dass diese Beobachtungen in die mathematischen
Erörterungen zurück fliessen können. Dies zu moderieren ist ebenfalls eine
Kunst.
Zu den Phänomenen
als Substanz der Mathematik
Nach Lax, wie auch
bei Wagenschein (1999), sind hervorragende Phänomene dasjenige, woraus die
Mathematik besteht. Man könnte auch
sagen, dass das Wesentliche der Mathematik darin besteht, Phänomene mit Hilfe
der Logik, der Zahlen und der Operationen einsichtig zu machen.
Geschieht das im
Kindergarten oder in der Schule? Wir wollen nicht so naiv sein, einen
phantastischen Mathematikunterricht für alle Tage einfordern zu wollen. Wir
sollten aber auch nicht so naiv sein, dass wir die die Substanz der Mathematik
je erfahren, wenn Mathematik nur aus Arbeitsblättern, Abhandlungen der
Lehrperson an der Wandtafel und herunter geladenen Wochenplänen besteht.
Fantastische
Phänomene findet man dadurch heraus, dass man die Lebenswelt der Lernenden
beobachtet und indem man mit den Lernenden spricht. Diese sind auch Katalysatoren
für die Sozialisation. Paulo Freire nannte dies das generative Verfahren.
Phantastische Phänomene werden in der Lebenswelt geteilt und erforscht, sie
sind nicht Phantasieprodukte der Lehrenden. Dann hat man eher die Gewähr, dass
substantielles Lernen entwickelt werden kann. Dann erscheinen auch die
Lehrbücher und die Arbeitsblätter als Werkzeuge und nicht als die Substanz der
Mathematik.
Literatur
Frege, G. (2001). Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch mathematische Untersuchung über den Begriff der Zahl. Stuttgart: Philipp Reclam jun.
Imhasly, P. (2010, 24.10.2010). Ich denke ständig an Mathematik. Ein Gespräch über die Essenz des mathematischen Denkens mit Peter Lax. NZZ am Sonntag.
Inhelder, B., Piaget, J. (1977). Von der Logik des Kindes zur Logik des Heranwachsenden. Olten: Walter-Verlag.
Kamii, C. (2004). Young Children Continue To Reinvent Arithmetic. 2nd Grade (2nd ed). New York: Teachers College Press.
Piaget, J., Inhelder, B. (1973). Die Entwicklung der elementaren logischen Strukturen, Teil 1. Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann.: Pädagogischer Verlag Schwann.
Piaget, J., Inhelder, B. (1973). Die Entwicklung der elementaren logischen Strukturen, Teil 2. Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann.
Wagenschein, M. (1999). Verstehen lehren. Weinheim: Beltz Verlag.
Frege, G. (2001). Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch mathematische Untersuchung über den Begriff der Zahl. Stuttgart: Philipp Reclam jun.
Imhasly, P. (2010, 24.10.2010). Ich denke ständig an Mathematik. Ein Gespräch über die Essenz des mathematischen Denkens mit Peter Lax. NZZ am Sonntag.
Inhelder, B., Piaget, J. (1977). Von der Logik des Kindes zur Logik des Heranwachsenden. Olten: Walter-Verlag.
Kamii, C. (2004). Young Children Continue To Reinvent Arithmetic. 2nd Grade (2nd ed). New York: Teachers College Press.
Piaget, J., Inhelder, B. (1973). Die Entwicklung der elementaren logischen Strukturen, Teil 1. Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann.: Pädagogischer Verlag Schwann.
Piaget, J., Inhelder, B. (1973). Die Entwicklung der elementaren logischen Strukturen, Teil 2. Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann.
Wagenschein, M. (1999). Verstehen lehren. Weinheim: Beltz Verlag.
Abonnieren
Posts (Atom)